Die offene Rennbahn hat ihr sportliches Gewissen verloren. Josef «Sepp» Helbling (*15. Juli 1935 – † 11. September 2024)
Bei unserer letzten Begegnung am Samstag vor einer Woche, im Waidspital in Zürich, erhellte sein ureigener Schalk noch immer seine Augen. Als ich ihm zum Abschied die Hand gab – er lag müde vom reichen Leben im Krankenbett (eines auf Rollen), meinte ich: «Sepp, bleib doch noch etwas, eine Ehrenrunde auf der Rennbahn müsste es noch geben können.» Seine Antwort: «Ja, wenn du meinst, dann rolle ich grad auf diesem Bett auf die Rennbahn.» Und er schmunzelte. Sepp Helbling schätzte ich vom ersten Augenblick an, als wir 2007 beim wieder erwachten Sechstagerennen im Hallenstadion zusammen arbeiten durften. Natürlich wusste ich von seinem reichen sportlichen Palmarès vor allem von seiner Bedeutung als Trainer der Radsporthelden wie Freuler, Dill-Bundi, Kurmann, usw., die er als «meine Kummerbuben» bezeichnete. Ich bewunderte ihn damals als «Excel-Kapitän», denn er hatte sich im hohen Alter im Selbststudium die vielen Formeln dieser Tabellenkalkulation beigebracht.
Sepp Helblings Rennstatistiken und seine Resultattabellen waren verlässlicher als Google.
Bei allem was ich seither in der Radsport-Welt erfuhr, Sepp war immer irgendwo «umenand». Man konnte ihn fragen, erhielt Antwort. Beispielsweise – es ist nicht zwei Monate her – wollte ich von ihm wissen, welche Durchschnittsgeschwindigkeiten bei Steher-Schweizer Meisterschaften effektiv gefahren werden, es würden alle etwas anderes behaupten. Sepp sandte eine Excel-Tabelle. Als ich mich vor sieben Jahren der IGOR anschloss, wunderte es mich, warum der im Radsport so verdiente und berühmte Mann nie als Mitglied zum Kreis dieser Rennbahn-Enthusiasten gehörte. Er wollte es nie, hiess es. Aber dennoch war er immer dabei, seit der Gründung des Vereins vor 22 Jahren. Bis vor drei Jahren noch mittendrin. Sepp Helbling war (mit Alois «Wisel» Iten) das sportliche Gewissen. Über die Jahre hinweg wuchs unsere schöne Freundschaft. Sepp war ein Mensch, mit dem man gerne zum «Zmittagessen» ging, ins Furtbächli in Regensdorf zum Beispiel. Ausser einem Salatblatt nahm er sonst freilich nie ein Blatt vor den Mund. Er sagte ohne Scheu, was er dachte. Aber als ich ihn fragte, er war damals 84-jährig, was einmal auf seinem Grabstein stehen sollte, hatte er keine andere Idee als zu witzeln: «Tschau Sepp?». Und ergänzte, sie könnten auch «dä Puuretanzlehrer» schreiben, so hätte man ihn früher genannt, weil er vor seinen Radsport-Engagements als Tanzlehrer im ganzen Land «umenand» war. Und wieder schmunzelte er… Lieber Sepp, wo immer du jetzt «umenand» bist: Wir werden dir auf der offenen Rennbahn ein ewiges Andenken bewahren. Viel mehr noch, die Ehrenrunde holen wir im Frühling mit einer Gedenkfeier nach, dein Geist schwebt dann sicher irgendwo über uns. Zu mindestens an diesem Tag in der Küche. Es solle für alle deine Freunde dann «Ghackets mit Hörnli» geben, wenn überhaupt etwas. So hast du es als Wunsch hinterlassen. Die Abdankung findet – auch auf deinen Wunsch – im engsten Familienkreis in den nächsten Tagen statt. «Tschau Sepp!»