Nun ist es offiziell: Atzeni hört Ende Saison auf

Total verrechnet… und Atzeni tritt zurück. Und wie die Rechnung auf der Rennbahn aus- und für alle nun erst recht aufgeht.

«Dass so viele Zuschauer bei dieser Sommerhitze auf die Rennbahn strömen würden, damit hatten wir alle am letzten Dienstag nicht gerechnet», sagt Alois «Wisel» Iten, ein hocherfreuter Präsident der Betreibergesellschaft der offenen Rennbahn, IGOR. «Ich hatte mich verrechnet, wir hatten viel zu wenig Tagesprogramme gedruckt.» Einer der Gründe, warum am letzten Dienstag so viele kamen – weit über tausend: Die populären Steher-Rennen und auch Derny-Rennen waren – nebst weiteren attraktiven Radrennen – angekündigt.

Doch nicht nur der Präsident der IGOR hatte sich an diesem letzten Dienstag verrechnet. Auch das Publikum. Auf spannende Steher-Rennen hatte es aufgrund des bisherigen Saisonverlaufs zwar hoffen können. Aber nicht auf diese zwei Krimis. Dass am Schluss wieder der 46-jährige Giuseppe «Giusi» Atzeni gewinnen würde – mit welchem man in dieser Saison nicht mehr rechnete – das war schon sehr speziell an diesem besonderen Abend. Der Altmeister und sein ebenfalls 46-jähriger Schrittmacher Mathias Luginbühl fuhren im ersten Lauf über 45 Runden wie auf Schienen zum Sieg. Und im Zweiten über 90 Runden stark wie in alten Zeiten und sie gewannen auch diesen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 78,2 km/h. «Ich hatte es mit meinem eigenen GPS-Messgerät gemessen». Die Jury kam zwar auf einen Schnitt von 72,556 km/h. Die Differenz erklärt sich, dass die offizielle Zeit- und Geschwindigkeitsmessung die schwarze Messlinie als Massstab nimmt. Fährt man weiter oben auf der Bahn, fährt ein Athlet eine längere Distanz, ist also schneller als auf der 333,33 Meter langen schwarzen Linie.

Kommt der geneigte Leser hier eigentlich draus, was der Schreiberling gerade für ein Elaborat von sich gibt? Oder verrechnet sich auch der gerade bei diesem wunderbaren Sommerwetter?

Tolle Leistung vor viel Publikum. Die beiden 46-jährigen Herren, der elffache Schweizer Meister im Steher-Rennsport, Giuseppe «Giusi» Atzeni und sein Schrittmacher Mathias Luginbühl zeigten der zwölf Jahre jüngeren Konkurrenz, wo «dä Bartli dä Moscht holt».
Photo Credit CuPNet Photo Peter Mettler

Nicht gerechnet mit einem dermassen starken Atzeni hatte sicher auch der Thurgauer Claudio Imhof (34), sein bisher ärgster Widersacher. Er fiel in beiden Läufen zweimal von der Rolle seines Schrittmachers, fuhr dann aber jeweils doch noch auf Platz 2. Auf den 3. Platz kam Atzenis einstiger Lehrling, Jan André Freuler (32), der seinen Lehrmeister bekanntlich im ersten Rennen dieser Saison schon bezwingen konnte.

Die Steher Schweizer-Meisterschaft in zwei Wochen ist lanciert Die Stimmung im Betonoval war aufgrund des Wetters heiss, aufgrund des überraschenden Rennausgangs aufgekratzt, fast hitzig. Wie in keiner anderen Radsport-Disziplin machen in der Steherei, der ohnehin sagen- und legendenumwobenen Radsport-Disziplin, schnell Sprüche und Gerüchte die Runde. «Der hatte doch geladen», oder: «die haben sich doch abgesprochen», munkelte der eine oder andere «Sachverständige». Atzeni schwört beidem hoch und heilig ab. In den brodelnden Gerüchten ging die nun offizielle Ankündigung praktisch unter, dass der legendäre Sportler und sein Schrittmacher Mathias Luginbühl Ende Saison vom aktiven Sport zurücktreten wollen. «Ich bin doch nicht so blöd, dass ich mir nun mit irgendeiner Doping-Geschichte meine lange und wunderbare Karriere noch versauen würde. Meine elf Schweizer Meistertitel kann man mir nicht mehr nehmen. Vielleicht kann ich ja in zwei Wochen sogar das Dutzend noch vollmachen», sagt Atzeni kampfbereit.

Wie auch immer: Die Steher-Schweizer Meisterschaft (am Dienstag, 3. September) ist bestens lanciert. Es ist die zweitletzte Möglichkeit einen der besten und erfolgreichsten Steher-Rennfahrer der Schweiz nochmals live auf der Rennbahn erleben zu können. Drei Wochen später dann bei der SM-Revanche am Saisonabschluss-Meeting (Dienstag, 24. September) ist für das Gespann Atzeni/Luginbühl endgültig Schluss. «Das soll dann mit einer originellen Ehrung würdig gefeiert werden», versprechen die Veranstalter von der IGOR schon jetzt.

Heier Lämmler – Öffentlichkeitsarbeit | IGOR und Alois Iten – Präsident | IGOR