
Die Könige der Rennbahn
Mit den Schweizer Meisterschaften im Sprint steigt am kommenden Dienstag ein erster Saisonhöhepunkt auf der Offenen Rennbahn. Höchst Zeit, um eine Ikone des Zementovals zu würdigen: Supersprinter Oscar Plattner.
Oscar Plattner, geboren am 17. Mai 1922, war nach Ernst Kaufmann der zweite grosse Schweizer Repräsentant im Sprint, der einstigen Königsdisziplin des Bahnrennsports. In Bern, wo der Bündner Oberländer aufwuchs, nannten sie den vifen KV-Stift «Splitter», weil er fast so dünn war wie eine Glasscherbe. Selbst im hohen Alter wirkte Plattner topfit, gertenschlank, ohne Übergewicht.
Schlagfertig und schnell
Auf Plattner trafen viele Attribute zu: gescheit, trickreich, sprachgewandt, schlagfertig, reglementskundig, schnell, sehr schnell, 1956 Weltrekord-Inhaber über 200, 250,500 und 1000 m mit fliegendem Start. Der ehemalige Buchhalter einer Berner Veterinärapotheke hätte wohl auch im Geschäftsleben Karriere gemacht, entschied sich indes für das Radsport-Metier. Als Anfänger, Junior und Amateurgewann er die Meisterschaft von Zürich, die Tessiner, Nordwestschweizer und Waadtländer Rundfahrt wie auch Biel-Lausanne, die Grossen Preise von Bassecourt und Freiburg sowie Kriterien en masse.
1946 lieferte Plattner den eindrücklichsten Beweis für seine Omnipräsenz: Schweizer Mannschaftsmeister über 100 km mit dem Radrennclub Bern, Schweizer Amateur-Strassenmeister und erster Schweizer Amateur-Sprinter-Weltmeister.

1947 wechselte Plattner ins Lager der Professionals und 1950 nach Zürich. Obwohl der kluge Taktiker auch als Berufsfahrer internationale Strassenrennen dominierte (1948 Zürich – Lausanne, 1948 WM-Teilnehmer auf der Strasse und der Bahn, 1950 Nordwestschweizer Rundfahrt), konzentrierte er sich fortan auf die Piste.
100 Sechstagerennen
Er bestritt hundert Sechstagerennen und gewann deren acht. Die Sprinter-Weltmeisterschaften trugen dem schlauen Rennfuchs je zwei Gold-, Silber- und Bronzemedaillen ein, auf nationaler Ebene sammelte er 23 Meistertitel, wovon 20 im «Nobelfach» Sprint. Nur die Tour de Suisse liess Plattner stets links liegen. Er sah im Sommer die Berge lieber von unten; im Winter war es umgekehrt. Davos, wo Plattner einen Zweitwohnsitz besass, lernte den Rad-Weltmeister als eleganten Skifahrer kennen.
30 Minuten bockstill
Auf dem Rad war Plattner je nach Situation schnell oder langsam. Einmal stand er gegen Enzo Sacchi 30 Minuten bockstill, ehe er den Italiener mit einem unwiderstehlichen Angriff überlistete. Ähnliches erfuhren etliche Sprinter seiner Generation: Harris, Maspes, Van Vliet, Derksen, Senftleben, Rousseau. Doch seine Lieblingsgegner waren die Feierabend-Funktionäre. Oft machten sie hilflos die Faust im Sack, wenn der Mann in kurzer Hose Entscheide der hohen Herren anzweifelte und Protest einlegte, worauf Verdikte der Pseudoexperten korrigiert werden mussten.
Nach seiner 18-jährigen Profikarriere (1947 bis 1965) hätte sich Oscar Plattner getrost ins Stöckli zurückziehen können. Er hatte gut verdient und seine Gagen zum Teil in Immobilien gewinnbringend angelegt. Aber der weitgereiste Ex-Professional wählte nicht den Weg des geringsten Widerstands. Er absolvierte in Magglingen den ersten Schweizer Nationaltrainer-Kurs und wurde von 1966 bis 1982 der wohl erfolgreichste Schweizer Nationaltrainer.
Erfolgreicher Trainer
Die Medaillen, die er einst selbst gesammelt hatte, fuhren jetzt seine Eleven heraus. Xaver Kurmann, Robert Dill-Bundi, Daniel Gisiger und Urs Freuler waren des Meisters Musterschüler. Sie alle (und tausend andere) profitierten von Plattners gelungenstem Wurf, dem 1966 geschaffenen Kilometer-Test. Diese für den Nachwuchs äussert segensreiche Institution überlebte seinen Erfinder und dient auch heuer wieder als Sprungbrett für junge Talente. Oscar Plattners Verdienste um den Schweizer Radrennsport reichen weit über seinen Tod im August 2002 hinaus. Auf der Offenen Rennbahn sind sie bis heute zu spüren – besonders stark am kommenden Dienstag.
Dienstag, 17. Juni 2025.
Ab 16.00 Uhr: Schweizer Sprint-Meisterschaften U17, U19, U23, Elite.
Finals ab 20.10 Uhr.
Übriges Programm:
17.45 Uhr: Punktefahren (U17, U19, Frauen).
18.20 Uhr: Ausscheidungsfahren (U15/U17, Frauen U17, U19).
20.00 Uhr: Scratch (U15/U17, Frauen U17, U19).
20.30 Uhr: Ausscheidungsfahren (U19, U23, Elite).
21.05 Uhr: Punktefahren (U19, U23, Elite).
21.45 Uhr: Siegerehrungen Schweizer Sprint-Meisterschaften.
22.00 Uhr: Rennschluss.
Öffentlichkeitsarbeit: Thomas Renngli | IGOR